08 - Erich-Mielke-Gedächtnispreis

Die Wiedergänger Mielkes

Eine Initiative gegen Überwachung versucht, mit einer ironischen Preisverleihung auf Leipzigs Stadtpolitik gegen Bürgerrechte und soziale Randgruppen aufmerksam zu machen.
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Eine handvoll junger Menschen versammelt sich vor dem Gebäude, in dem vierzig Jahre lang die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit ihren Sitz hatte. Es ist Freitag, der 7. Oktober und kaum einer der Passanten denkt wohl daran, dass die DDR heute ihren 56. Geburtstag feiern würde, hätten nicht DemonstrantInnen am Abend des 4. Dezember 1989 das Gebäude gestürmt und besetzt.
Während sich die Gruppe Armbinden mit einer blauen Kamera auf gelben Grund anheftet, wird sie von einem älteren Herren angesprochen: „Ich sach mal: das, was die früher gemacht ham, war nich gut. Um Gottes Willen. Aber n bisschen was davon, würde uns gut tun! Der ganze Dreck und de Drogen.“ Michael Arzt, auf dessen Namensschild „Presseoffizier“ und „Komitee Leipziger Unfreiheit“ steht, gibt dem Herren recht und lädt ihn zur Verleihung eines ganz besonderen Preises ein: den 2. Leipziger Erich-Mielke-Gedächtnispreis. Ausgelobt wurde der Preis für Institutionen und Personen, die sich um Überwachung und soziale Ausgrenzung in Leipzig verdient gemacht haben. Gleichzeitig soll mit der Preisverleihung an den ehemaligen Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, erinnert werden, dem die Kompetenz des Staates über alles ging.
Erst einmal kümmert sich jedoch ein Streifenpolizist um Recht und Ordnung und wünscht, den Versammlungsleiter zu sprechen. Der fleißige Schutzmann hat von der Stadt Leipzig von einer unangemeldeten Versammlung erfahren. „Ordnung muss sein!“, pflichten die jungen Menschen dem Ordnungshüter bei und rufen einen Führer aus. Nach der Personalienaufnahme begrüßt Wolfgang Wollweber vom „Bündnis gegen Bürgerrechte“ die PressevertreterInnen und neugierigen Gäste, die aus dem ganzen Bundesgebiet angereist sind und verkündet den ersten Preisträger: „Gewinner in der Kategorie ‚Schöner unsere Städte und Dörfer’ ist: Dr. Eckardt Nowak, der Vorsitzende des Aktionsbündnisses Stattbild e.V.“
Die Gruppe teilt sich auf die bereitgestellten Autos auf und fährt zum ersten Preisträger, um ihm den Preis persönlich zu überreichen. Ein paar Straßen weiter macht der Korso Halt vor einem Bürogebäude. Ein gelbes Rednerpult, auf dem ebenfalls eine blaue Kamera prangt, wird aufgestellt und während Sekt gereicht wird, hält die ehemalige Stadträtin der Linkspartei, Juliane Nagel, die Laudatio auf den Preisträger. Sie lobt Eckardt Nowaks Engagement gegen illegale Graffiti und „seine konsequente und ergebnisorientierte Politik“, die die Bekämpfung legaler Flächen gleich mit umfasse. „In einer seiner Klientel verpflichteten und aufopfernden Vernetzungstätigkeit gelang es ihm, Stadt, Privateigentümer und Polizei in einer Front zu einen und das Übel an der Wurzel zu packen, indem er die letzte legale Wand zum Sprühen in Leipzig schloss.“ Leider kann Nowak trotz dieses Lobs nicht überzeugt werden, den Preis in Empfang zu nehmen. Er habe gleich einen wichtigen Auswärtstermin, lässt er seine Sekretärin mitteilen und die Urkunde landet kurzerhand im Briefkasten.
Voller Ungeduld ruft die Polizei den auf ihre Initiative hin gekürten Versammlungsleiter an und will wissen, wer die diesjährigen Preisträger sind. Die Direktion Leipzig hatte bereits vor zwei Jahren in der Kategorie „Wissenschaftlich-technologischer Forstschritt“ den Preis erhalten. Dass ihr Leiter Rolf Müller in diesem Jahr wieder zu den Preisträgern gehört, wird zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht verraten.
Der nächste Umschlag wird geöffnet und der Sieger in der Kategorie „Herausragende politisch-ideologische Standfestigkeit“ bekannt gegeben: der junge Agitator der CDU im sächsischen Landtag und Ex-Oberbürgermeisterkandidaten Robert Clemen hat sich bei der Jury durch Slogans wie „Schlaglöcher weg – Videoüberwachung her!“ beliebt gemacht. Ernst Schwanitz, Sicherheitsbeauftragter des „Komitees Leipziger Unfreiheit“, lobt in der Laudatio den „aufstrebenden Politiker ohne weit verbreitete Denkblockaden“, der sich nicht durch kleinmütige Liberale beirren lasse. „Dem Kampf solcher Funktionäre wird es zu verdanken sein, wenn endlich flächendeckend videoüberwacht wird und wir frei von Angst und Schrecken leben können“, sagt Schwanitz weiter. Wiederum zeigt sich der Preisträger nicht gerührt vom Preis, der lediglich einem Pappkameraden als leidlichem Ersatz überreicht werden kann.
Wenig später auf dem Ordnungsamt zeigt sich jedoch Hoffnung: Dr. Norbert Beital, der Leiter der Behörde, soll geehrt werden. Beital, Polizeichef Müller und der – über seine Verkehrsdelikte gestolperte – ehemalige Ordnungsbürgermeister Holger Tschense zeichnen gemeinsam für die neue Polizeiverordnung verantwortlich und dieser Einsatz ist der Jury eine Auszeichnung wert. Beital ist zwar nicht im Haus, dafür will seine Stellvertreterin, Doris Kretschmer, erscheinen: die Spannung steigt. Enttäuschung macht sich jedoch breit als sie einen Vertreter der Gruppe zu sich ins Büro ihres Vorgesetzten bittet. Dieser teilt der enttäuschten Gruppe nach bangem Warten mit: „Ohne Herrn Dr. Beitals Einverständnis kann keine Preisverleihung stattfinden.“ Der Berliner Politologe Volker Eick, der die Preisverleihung mitverfolgt, schlägt vor, die Laudatio nicht zu halten und stattdessen die Laudatio zu halten. Torsten Schleip von der DFG-VK lobt daraufhin Beital als „Schwert und Schild der Partei“. „Er und seine Hilfstruppen, Leipziger 1-Euro-Jobber, halten Leipzig sauber und machen gegen Graffiti mobil und behandeln dabei alles, ob Hundekot, Junkies, Prostituierte, Bettler und Sprayer, als das, was es ist: gesellschaftlichen Müll!“ Währenddessen machen sich einige aus der Gruppe die Urkunde ohne Empfänger zu eigen, rahmen sie ein und hängen sie an die Wand auf dem Flur zum Büro des Behördenleiters. Ob er sie eines Tages entdecken wird?
Viel Aufmerksamkeit haben die PreisgeberInnen nicht bekommen: Kein Preisträger war anzutreffen, obwohl alle Nominierten eine briefliche Ankündigung erhalten hatten und die Presse kam trotz zahlreicher Einladungen nicht. Ob es daran lag, wie ein junger Radioreporter mutmaßt, dass sich Ironie im Radio nicht rüberbringen lässt? Vom Berliner Politikwissenschaftler Volker Eick gibt es dennoch Lob für die Preisverleihung, hinter der sich die ÜberwachungskritikerInnen von der Initiative „Leipziger Kamera“ verbergen: „Die Initiative versucht etwas, was selbst unter ÜberwachungskritikerInnen selten ist; nämlich zu zeigen, dass trotz der allgegenwärtigen Entwicklung der Entsolidarisierung der Stadtpolitik, vor Ort immer Entscheidungsträger sitzen, die diese durchsetzen.“ Auch Torsten Michaelsen von der Radiogruppe „Ligna“ aus Hamburg, die im Sommer 2003 durch das Radioballett im Leipziger Hauptbahnhof von sich reden machte, und Thomas Brunst, Betreiber der überwachungskritischen Internetseite safercity.de, sind sich einig: „Das war eine gelungene Aktion. Wir bedauern allerdings, dass der ebenfalls nominierte Zoo keinen Preis bekommen hat.“
Michael Arzt von der Initiative „Leipziger Kamera“ dazu: „Wer in Leipzig im Interesse einer heilen Konsumwelt bestimmte Gruppen wie SprayerInnen, DrogenkonsumentInnen und Arme ausgrenzt, überwacht und kriminalisiert, anstatt sich für bessere Lebensbedingungen einzusetzen, wird in Zukunft mit weiterem Protest und Widerstand rechnen müssen.“ Peter Ullrich, einer der InitiatorInnen, kündigt an, dass die Initiative für die nächste Zukunft weitere Aktionen plant. „Schließlich jährt sich im April nächsten Jahres das Pilotprojekt der Polizei zur stationären Videoüberwachung zum zehnten Mal. Außerdem steht uns die Fußballweltmeisterschaft mit vielen alten und neuen Überwachungstechniken ins Haus.“
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2. Leipziger Erich Mielke Gedächtnispreis verliehen

Negativpreis ging an Robert Clemen (CDU), das Aktionsbündnis Stattbild und die Leipziger Law-and-order-Politiker Rolf Müller, Holger Tschense, Norbert Beital

Am Freitagvormittag erlebte Leipzig die zweite Verleihung eines überwachungskritischen Preises, der den Namen des ehemaligen Stasi-Chefs Erich Mielke trägt. In Umkehrung des Mottos von Leipzigs Polizeichef Rolf Müller, dass „Vergleiche mit den in der DDR praktizierten Überwachungsmaßnahmen auszuschließen sind“ kritisierte die Initiative Leipziger Kamera Leipziger Persönlichkeiten, die auf Überwachung und Law-and-Order setzen.
Begleitet von Datenschützern und Kamerakritikern aus dem ganzen Bundesgebiet sowie Leipziger Künstlern und Politikern wurden die Preise den nicht begeisterten EmpfängerInnen übergeben. Michael Arzt von den Initiatoren der „Leipziger Kamera“ sagte dazu: „Wer in Leipzig im Interesse einer heilen Konsumwelt bestimmte Gruppen, wie Sprayer, Drogenabhängige und Arme ausgrenzt, überwacht und kriminalisiert, anstatt sich für bessere Lebensbedingungen einzusetzen, muss in Zukunft mit weiterem Widerspruch rechnen.“. Mitinitiator Andreas March, ein Leipziger Politikwissenschaftler, ergänzt: „Videoüberwachung löst keine Probleme, sondern verdrängt sie nur und schafft sie manchmal erst. Auch wenn Leipzig ein bundesweites Pilotprojekt für Videoüberwachung ist, gibt es keine wissenschaftlich haltbare Evaluation der Erfolgslügen von Rolf Müller und Co.“ Die Preise wurden in drei Kategorien vergeben, die am 7. Oktober, dem 56. „DDR-Republikgeburtstag“ nicht ohne Grund an manches von früher Bekannte erinnerten.
Ausgezeichnet in der Kategorie „Schöner unsere Städte und Dörfer“ wurde das „Aktionsbündnis Stattbild“ in Gestalt seines Vorsitzenden Eckardt Nowak, dafür dass es Graffiti-Sprayer jeglicher legalen und illegalen Möglichkeit der Betätigung zu berauben sucht.
Robert Clemen (MdL, CDU) erhielt den Preis u.a. für seine populistische Wahlwerbekampagne zur OBM-Wahl mit dem Slogan „Schlaglöcher weg – Videokameras her“ in der Kategorie „Herausragende politisch-ideologische
Standfestigkeit“.
Der dritte Preis wurde in der Kategorie „Schild und Schwert der Partei“ an gleich drei Leipziger Persönlichkeiten verliehen. Polizeichef Rolf Müller, der nun bald ehemalige Ordnungsbeigeordnete der Stadt Holger Tschense und Ordnungsamtschef Norbert Beital erhielten die sicher ungewollte „Ehrung“ neben ihrem generellen Einsatz für Überwachung aller Art v.a. für ihr unangemessenes Vorgehen gegen Randgruppen und „unkonventionelle“ und v.a. ausgrenzende Verbote, wie das Verbot auf öffentlichen Grünflächen zu lagern, das Ansprechverbot zur Anbahnung von Prostitution, das Verbot aggressiven Bettelns und für ihr Vorgehen gegen Plakatieren, das ohnehin nur „Selbstdarstellungen, […], Aufrufe oder politische Kampfparolen enthält und somit nicht unter dem Begriff der Werbezwecke fällt“ (Tschense). Noch einmal Michael Arzt: „Wer im Zweifelsfall Politik gegen die Menschen nur für den Konsum macht und dabei auf Überwachung pur setzt und sich um Grund- und Freiheitsrechte wenig schert, hat diesen Preis wahrlich verdient.“
Neben der „Leipziger Kamera“ werteten auch die anwesenden Delegationsmitglieder die Aktion als Erfolg. Unter ihnen befanden sich der Berliner Politikwissenschaftler Volker Eick von der Zeitschrift „Cilip –
Bürgerrechte und Polizei“, der Überwachungskritiker Thomas Brunst von safercity.de, Torsten Michaelsen von LIGNA aus Hamburg, die mit ihren Radioballett in Leipzig schon für Aufsehen gesorgt hatten und Leipziger Prominenz, so Juliane Nagel, ehemalige Stadträtin der Linkspartei.PDS, Silke Steets von General Panel und andere.
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Aufruf zur Beteiligung am 2. Leipziger Erich Mielke Gedächtnispreis

mielke3Die Initiative „Leipziger Kamera“ verleiht dieses Jahr zum zweiten Mal den überwachungskritischen Erich-Mielke-Gedächtnispreis. Ausgezeichnet werden Personen und Institution, die sich in Leipzig besonders um Überwachung und soziale Kontrolle verdient gemacht haben.
Wir laden dazu ein, sich an der Nominierung zu beteiligen. Wer hat sich in Leipzig mit besonders sinnlosen Überwachungs- und Sicherheitsstrategien hervorgetan? Vorschläge an die E-Mail-Adresse gflg@gmx.de.

1. Erich-Mielke-Gedächtnispreis >>
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Nominierungen für den 2. Erich-Mielke-Gedächtnispreis

Rolf Müller (Leitender Kriminialdirektor, Polizeidirektion Leipzig), Holger Tschense (ehemaliger Bürgermeister und Beigeordneter für Umwelt, Ordnung, Sport), Dr. Norbert Beital (Leiter des Ordnungsamtes)
>> Novellierung der Polizeiverordnung über öffentliche Sicherheit und Ordnung
Diese drei Herren, die man zu Recht als die Chefplaner für Law-and-Order in Leipzig bezeichnen könnte, haben sich 2004 besonders verdient gemacht für Überwachung in
Leipzig und werden für die Novellierung der Polizeiverordnung über öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Stadt Leipzig nominiert. Sie haben "unkonventionelle" Regelungen
wie das Ansprechverbot zur Anbahnung von Prostitution eingeführt, das Beital in der LVZ mit folgenden schönen Worten erläuterte: "Wer sich dort als scheinbar harmloser
Fußgänger auffallend lange aufhält, wird über das Ansprechverbot deshalb belehrt." Ferner haben sie Verbote eingeführt, die konsequent gegen die Ärmsten in unserer
Gesellschaft gerichtet sind, wie das Verbot von Nächtigen und Lagern in Grünanlagen und das Verbot des aggressiven Bettelns. Jedoch hoffen wir, daß sie in Zukunft auch noch
jedes Betteln und auch den Alkoholgenuss aus der Öffentlichkeit verbannen. Auch begrüßen wir die über die landesrechtlichen Regelungen hinausgehenden Festlegungen
gegen Graffiti und Wildplakatieren und ihre klaren Äußerungen, daß sie nichts von Bürgerrechten wie dem auf freie Meinungsäußerung halten, in dem sie alles als
ordnungswidrig behandeln was "nur Selbstdarstellungen, Meinungsäußerungen, Aufrufe oder politische Kampfparolen enthält und demnach nicht unter den Begriff der
Werbezwecke fällt".

Karsten Kammler (Leiter des Bahnhofsmanagements Leipzig, DB Station und Service AG)
>> Erweiterung des sogenannten 3-S-Konzepts auf Haltepunkte im Nahverkehrsraum Leipzig
Karsten Kammler wurde von unserer Jury für die konsequente Fortsetzung der Leistungen seiner Vorgängerin Ute Stuhr nominiert. Bereits der 1. Erich-Mielke-Gedächtnispreis ging 2003 an das Bahnhofsmanagement für die flächendeckende Videoüberwachung im Hauptbahnhofsgebäude. Kammler hat seit seinem Amtsantritt gezeigt, daß er auch weiterhin dafür sorgen will, daß - so stand es in der LVZ - "Leipzig Vorreiter in Sachen Videoüberwachung" bleibt, und begann, sich für die Erweiterung der Videoüberwachung auf kleinere Bahnhöfe in der Umgebung zu engagieren. Damit hat er sich vorzüglich in die konsequente Verfolgung von Graffitischmiereien, die ja schon in breiter Front seit 2003 von Stadt, Aktionsbündnis Stattbild e.V., Polizei und Ordnungsamt geführt wird, eingefügt und sich verdient gemacht, um den Ausbau von Überwachungstechnologien im Alltag, eine weitere Abschaffung von Bürgerechten und für die Macht privater Konzerne über unsere Stadt.

Dr. Eckardt Nowak (Geschäftsführer der Leistungsgesellschaft Haus und Grund mbH)
>> Aktionsbündnis Stattbild e.V.
Das Aktionsbündnis Stattbild wurde für sein konsequentes Engagement gegen die allgegenwärtigen Schmierereien von pubertierenden Jugendlichen in unserer Stadt für den
Preis nominiert. Wir stimmen mit unserem Freund Peter Sodann überein, der diese Unbill, die unserer Stadt so schadet, als "ganz gewöhnlichen Faschismus" bezeichnet, und
gratulieren Dr. Eckardt Nowak stellvertretend für die Gründung des Aktionsbündnisses, das sich als stadtnaher Lobbyverein für die konsequente Kriminalisierung der Jugendlichen einsetzt. 2002 wurde Graffiti in Leipzig zur Ordnungswidrigkeit mit einer 1.000-Euro-Geldstrafe. 2003 wurde die einzige legale Wand am Karl-Heine-Kanal in Plagwitz auf Betreiben dieses Vereins hin geschlossen. Wir gratulieren ferner für die unkonventionelle Kooperation mit der Stadt, der Polizei und dem Ordnungsamt, dessen Chef, Dr. Nobert Beital, der stellvertretende Vorsitzende des Bündnisses ist und in dessen Amt die Denunziationshotline des Vereins direkt läuft, und wir würdigen markige Sprüche wie "Bildung statt Bilder".

Rolf Müller (Leitender Kriminaldirektor, Polizeidirektion Leipzig)
>> Videoüberwachung am Connewitzer Kreuz
Rolf Müller ist der Garant für immer neue "unkonventionelle Mittel" zur Herstellung von Zucht und Ordnung in Leipzig. Dieses Jahr wurde er nominiert für seine hervorragende
Verwirrungspolitik und die weitere Einschränkung der Bürgerrechte durch Videoüberwachung. Als es Ende Januar 2005 erneut zu Krawallen und Sachbeschädigungen am
Connewitzer Kreuz kam und verweichlichtes, liberales Gesocks die Meinung verbreitete, daß das ein Beweis wäre, daß die Videoüberwachung nichts nütze, hat er, um Schaden
von der Polizei abzuwenden, geschickt in der LVZ vom 31. Januar lanciert, daß die Kamera, die seit Juni 2003 dort steht, eigens für Silvester auf- und wiederabgebaut würde.
Trotz dieser Posse begrüßen wir natürlich, daß er seinen alten - sicher nur taktischen - Standpunkt, im Verdachtsfall aufzuzeichnen, aufgegeben hat und endlich dauerhaft
aufgezeichnet wird. Ein später, aber mutiger Schritt, der natürlich noch dadurch Achtung verdient, daß jetzt zusätzlich mit neuen gentechnischen Methoden ermittelt wird.

Robert Clemen (MdL, Kandidat der Leipziger CDU für das Amt des Oberbürgermeisters)
>> Wahlkampf 2005, Plakat "Schlaglöcher weg – Videoüberwachung her!"
Robert Clemen wurde von unserer Jury für seine volksnahe Inszenierung als Law-and-order-Politiker und seine Null-Toleranz-Parolen gegen Chaoten, Drogendealer,
Taschendiebe, Autoknacker und Graffiti-Schmierer nominiert. Logisch, daß er sich gegen einen Stellenabbau bei der Polizei, aber für verstärkte Videoüberwachung an
sogenannten Kriminalitätsschwerpunkten wie dem Connewitzer Kreuz aussprach. So ließ er sich auch nicht davon stören, daß dort schon seit Februar diesen Jahres ständig
aufgezeichnet wird. Besonders positiv ist uns aber sein Slogan "Schlaglöcher weg - Videoüberwachung her!" bei der letzten Oberbürgermeisterwahl aufgefallen. "Ein wehrhafter
Staat muß sich die Instrumente zur Abwehr krimineller Gefahren selbst schaffen. Nichts markiert die Schwäche Leipzigs auf diesem Gebiet deutlicher als die Zögerlichkeit beim
Einsatz von Videoüberwachung." Hier stimmen wir voll und ganz zu.

Zoo Leipzig GmbH
>> Einlassmethoden für Jahreskartenbesitzer
Die Leipzig Zoo GmbH wurde von unserer Jury für die innovativen Einlassmethoden für Jahreskartenbesitzer nominiert. Neue erkennungsdienstliche Methoden werden im Allgemeinen zögerlich von der Normalbevölkerung aufgrund eines althergebrachten, ja allgemeingefährlichen Verständnisses von Grundrechten angenommen. Deshalb sind
Initiativen wie diese, vielversprechende und nützliche Überwachungstechnik im Alltag zu etablieren, sehr wichtig. Bereits in vergangenen Jahren hat der Zoo mit dem Einscannen der Fingerabdrücke begonnen, seine liebsten Kunden, die Jahreskartenbesitzer, zu behandeln, wie man es gewöhnlich nur mit Kriminellen macht. Nun erstellte er 2004 eine
elektronische Bilddatenbank mit weiteren persönlichen Daten seiner treusten Kunden und gleicht die so entstandenen Passfotos mit seinen Kunden am Schalter ab. Zudem legt
die Konstruktion der Apparatur nahe, daß angestrebt wird oder wurde, die Gesichter biometrisch zu erfassen. Anderen hätte ein einfaches Passbild auf der Jahreskarte genügt: dem Zoo nicht.

Universität Leipzig
>> Sicherheitskonzept Universitätsneubau
Die Universität Leipzig hat sich nach Meinung unserer Jury für den Preis ausgezeichnet durch das Sicherheitskonzept für den Universitätsneubau mit der Videoüberwachung in allen Hörsälen und am neuen Campus. Wir halten das für einen konsequenten und nötigen Schritt, weil wir uns erinnern, daß diese Institution schon in der Vergangenheit Bürgerrechte gekonnt unterlaufen hat, z.B. bei der unkontrollierten Videoüberwachung - nicht einmal der Datenschutzbeauftragte weiß, wer warum wann wo videoüberwacht. Wir wünschen uns in Zukunft ein härteres Vorgehen gegen Studenten und unerwünschte Gäste.
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